Lange Zeit wurde behauptet, dass die kieferorthopädische Behandlung mit herausnehmbaren Zahnspangen billiger wäre als diejenige mit festsitzenden Apparaten. Diese Frage haben schwedische Forscher in einer im Jahr 2015 veröffentlichten Kostenanalyse überprüft. Sie wählten dafür eine relativ einfache Behandlungsaufgabe, die grundsätzlich auch mit herausnehmbaren Apparaten gelöst werden kann: die Verbreiterung des Oberkiefers zur Überstellung des seitlichen Kreuzbisses im Kindesalter. Dafür wurden 30 junge Patienten nach dem Zufallsprinzip (Randomisierung) entweder herausnehmbar mit einer aktiven Platte oder festsitzend mit einer Quad-Helix behandelt. Dabei scheiterten zahlreiche herausnehmbare Behandlungen, so dass hier Zweitbehandlungen nötig wurden, während alle festsitzenden Behandlungen erfolgreich waren.
Die Kostenanalyse ausschließlich der erfolgreichen Behandlungen erbrachte durchschnittliche Behandlungskosten von 981€ für die festsitzende, 1124€ für die herausnehmbaren kieferorthopädischen Behandlungen. Wurden aber alle Behandlungen, also auch die nicht erfolgreichen herausnehmbaren Behandlungen ausgewertet, vergrößerte sich der Kostennachteil der herausnehmbaren Behandlungsweise noch mehr. In der Gesamtwertung ergaben sich dann Kosten von 1533€ bei den herausnehmbaren Behandlungen, dagegen unverändert 981€ bei den stets erfolgreichen festsitzenden Behandlungen. Mit einkalkuliert wurden dabei die Herstellungskosten der Apparate, die ärztlichen Gebühren und die indirekten Kosten, d.h. der Arbeitsausfall und die Anfahrtskosten der Eltern.
Selbst bei einer so überschaubaren, kleinen Behandlungsaufgabe wie der Verbreiterung des schmalen Oberkiefers fallen für herausnehmbare kieferorthopädische Behandlungen also rund 50% mehr Kosten an als bei festsitzender Behandlung. Die Autoren schließen deshalb: „The cost-minimization analysis clearly showed that for correction of posterior crossbite, QH offers significant economic benefits over EP treatment. The QH had lower direct and indirect costs and fewer failures needing re-treatment. Even with full co-operation, i.e. when only successful treatments were considered, EP treatment was more expensive than the QH treatment.“ (Die Kostenminimierungsanalyse für die Korrektur des seitlichen Kreuzbisses zeigte klar, dass die Quad-Helix gegenüber der aktiven Platte einen signifikanten Kostenvorteil hat. Die Quad-Helix hatte geringere direkte und indirekte Kosten und weniger Misserfolge, die eine Zweitbehandlung erforderten. Sogar bei guter Mitarbeit, d.h. wenn nur erfolgreiche Behandlungen untersucht wurden, war die Behandlung mit der aktiven Platte teurer als die Quad-Helix.)
Die festsitzende Behandlung ist also das Mittel der Wahl, die herausnehmbare Behandlung unsicher im Erfolg und wesentlich teurer. Dies gilt um so mehr für komplexere Behandlungsaufgaben, für die klassische herausnehmbare Zahnspangen prinzipiell ungeeignet sind. Vor diesem Hintergrund ist es ein Skandal, dass in Deutschland weiterhin etwa 50% der Behandlungszeit bei jungen Patienten mit den überwiegend veralteten und unwirtschaftlichen herausnehmbaren Zahnspangen durchgeführt wird. Der Gründe dafür sind leicht zu finden: neben der oft schlechten Ausbildung der deutschen Kieferorthopäden ist es der höhere Gewinn der Ärzte, die mit herausnehmbaren Zahnspangen wesentlich mehr verdienen als mit festsitzenden!
Tip für Eltern: Bestehen Sie grundsätzlich darauf, dass die kieferorthopädische Behandlung mit festsitzenden Zahnspangen durchgeführt wird. Soll doch ausnahmsweise eine herausnehmbare Zahnspange verwendet werden, sollten Kieferorthopäden genau erklären können, worin hier der (Mehr-) Nutzen für den Patienten liegen soll!
Quelle: Petrén S, Bjerklin K, Marké LÅ, Bondemark L. Early correction of posterior crossbite – a cost-minimization analysis. Eur J Orthod. 2013 Feb;35(1):14-21. doi: 10.1093/ejo/cjr047. PubMed PMID: 21447782