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„Kieferknacken“ ist keine Erkrankung

Was umgangssprachlich als „Kieferknacken“ bezeichnet wird, ist in Wirklichkeit eine Geräuschbildung des Kiefergelenks. Wie viele andere Gelenke des menschlichen Körpers auch können die Kiefergelenke Geräusche entwickeln: Am häufigsten ist dabei ein Knacken bei der Kieferöffnung.

Das Knacken der Kiefergelenke geht fast immer auf eine vordere Lage der Gelenkscheibe – in der Fachsprache: des Diskus – zurück. Der Diskus des Kiefergelenks liegt normalerweise dem Kiefergelenkkopf und der Gelenkfläche des Schädels. Durch die Gelenkkapsel und die Bänder wird der Diskus mit dem Gelenkkopf und der Schädelbasis verbunden und stabilisiert.

Bei vielen Menschen dehnen sich die Gelenkkapsel und die hinteren Bänder des Kiefergelenks im Lauf des Lebens aus. In der Folge kann sich der Diskus nach vorne verlagern und liegt dann teilweise oder ganz vor dem Gelenkkopf. Bei der Kieferöffnung gleitet der Diskus zurück auf den Kiefergelenkkopf, wobei ein Knackgeräusch entstehen kann.

Beim Kieferschließen rutscht der Diskus meistens ohne Geräusch wieder vom Gelenkkopf herunter. Damit wird auch deutlich, dass nicht der Kiefer selbst, sondern das Kiefergelenk knackt.

Frühere Auffassung: Knacken ein Alarmsignal

Früher wurde in der Zahnmedizin verbreitet angenommen, dass das „Kieferknacken“ ein Krankheitszeichen sei. Man ging davon aus, dass das Knacken regelmäßig zur Arthritis und schlussendlich zur Arthrose der Kiefergelenke führen würde. Auf Grund dieser Annahme einer stetigen Abwärtsentwicklung mit fatalem Ende wurden oft aufwändige Diagnostik und teure und invasive Therapien zur Vorbeugung angeboten.

Bis heute stellt das Auftreten eines Knackens im Kiefergelenk für viele Ärzte eine nicht zu widerstehende Versuchung dar, Patienten aufwändige diagnostische und therapeutische Verfahren anzubieten. Deshalb sind die meisten Informationen, die auf ärztlichen Webseiten von über das „Kieferknacken“ zu finden sind, nur mit großer Vorsicht zu genießen. Die Tendenz ist dabei stets, dass das an sich harmlose Kiefergelenkknacken dramatisiert und zur Krankheit erklärt wird.

Schema des Kieferknackens
Das „Kieferknacken“ entsteht im Kiefergelenk meistens bei der Kieferöffnung: In der Ruheposition befindet sich der Diskus (grün) vor dem Gelenkkopf (1). Beim Öffnen schiebt der Gelenkkopf den Diskus vor sich her (2), bis der Diskus unter Spannung auf den Gelenkkopf aufspringt (3) – das Knackgeräusch ist als roter Stern markiert. Beim Schließen (4-6) gleitet der Diskus meistens geräuschlos vom Gelenkkopf herunter, ein Knackgeräusch kann aber auch dabei entstehen.

Heutige Auffassung: Knacken ist harmlos

Stand der Wissenschaft ist dagegen, dass das „Kieferknacken“ keine Erkrankung, sondern nur ein harmloses diagnostisches Zeichen einer vorderen Diskuslage ist. Eine vordere Diskuslage findet sich bei Magnetresonanztomogramm (MRT)-Untersuchungen bei rund einem Drittel der erwachsenen Bevölkerung. Dabei muss es nicht einmal unbedingt zu Knackgeräuschen kommen.

Der überwiegende Teil der Betroffenen erfährt durch das Knacken keine weiteren Beschwerden. Die vordere Diskuslage und das oft mit ihr verbundene „Kieferknacken“ sind also sehr häufige und gewöhnliche Befunde, die eher friedliche Hausgäste als bedrohliche Eindringlinge sind.

Tatsächlich kann es in vielen anderen der rund 300 menschlichen Gelenke ebenfalls zu Geräuschbildung wie Knacken kommen, ohne dass sich dafür irgendjemand interessieren würde. Das Kiefergelenk hat einfach das Pech, nahe am Innenohr zu liegen, so dass Betroffene Knackgeräusche dieses Gelenks über die Knochenleitung sehr laut hören.

So erklärt sich auch, dass in Suchmaschinen wie Google fast 100% der Einträge zu Gelenkknacken auf das Kiefergelenk bezogen sind. Allein schon diese Überrepräsentation macht deutlich, dass dem „Kieferknacken“ mehr Aufmerksamkeit zukommt, als angemessen wäre.

Betroffene Patienten sind wegen des deutlich wahrnehmbaren Geräuschs oft in großer Sorge. Wir können ihnen mit sicherem Wissen sagen, dass das „Kieferknacken“ einfach ignoriert werden kann und in aller Regel keine Folgeerkrankungen nach sich zieht.

Das Knacken verändert sich bei vielen Betroffenen im Lauf der Zeit, es kann lauter oder leiser werden, häufig auch ganz verschwinden. In keinem Fall sollten solche Veränderungen des Knackgeräusches Anlass zur Sorge sein.

Manuelle Untersuchung des Kiefergelenks: in der Regel ausreichend, um ein „Knacken des Kiefers“ zu diagnostizieren
Manuelle Untersuchung des Kiefergelenks: in der Regel ausreichend, um ein „Knacken des Kiefers“ zu diagnostizieren – dafür bedarf es weder einer computergesteuerten Kiefervermessung noch eines Magnetresonanztomogramms

Diagnostik beim Kieferknacken

Das „Kieferknacken“ kann mit großer Sicherheit manuell diagnostiziert werden, also mit den Händen. Dabei ertastet die am Kieferwinkel anliegende Hand des Untersuchers das Knacken. Erfahrene Untersucher spüren, wie die Gelenkscheibe sich auf den Gelenkkopf und wieder herunter bewegt. Der letztendliche Beweis für eine vordere Diskuslage kann mit einer Magnetresonanztomografie geführt werden, jedoch ist diese Aufnahme in der Regel unnötig, weil sie keine therapeutischen Konsequenzen hat. Weitere bildgebende Verfahren wie Röntgenaufnahmen helfen gar nicht weiter, weil sie nur Knochen, aber keine Weichgewebe darstellen. Dies gilt ebenso für das digitale Volumentomogramm (DVT) und erst recht für computergesteuerte Kiefervermessungen – es sind alles überflüssige Maßnahmen!

MRT des Kiefergelenks (Ausschnitt): bei „Kieferknacken“ als einzigem Symptom überflüssig!
MRT des Kiefergelenks (Ausschnitt): bei „Kieferknacken“ als einzigem Symptom überflüssig!
Panoramaröntgen des Kiefergelenks (Ausschnitt): zeigt nur grobe knöcherne Veränderungen und hat meist wenig Nutzen zur Gelenksdiagnostik
Panoramaröntgen des Kiefergelenks (Ausschnitt): zeigt nur grobe knöcherne Veränderungen und hat meist wenig Nutzen zur Gelenksdiagnostik

Therapie für das Knacken ist überflüssig

Leider nutzen viele Ärzte das Bestehen eines harmlosen „Kieferknackens“ aus, um Patienten mit düsteren Prognosen zu verängstigen und gleichzeitig ebenso teure wie sinnlose „Therapien“ für die vermeintliche Erkrankung anzubieten. Dieses Vorgehen ist schlicht das Erfinden von Krankheiten als Geschäftsmodell, im Englischen als „disease mongering“ bekannt.

Die überflüssigen Therapien reichen von komplizierten Schienentherapien, die mit mehreren 1.000 € berechnet werden, bis zur prothetischen Versorgung kompletter Zahnbögen mit Kronen oder „Tabletops“, wobei pro Kiefer 30.000 € berechnet werden. Kostenmäßig dazwischen liegen abenteuerliche kieferorthopädische „Repositionierungstherapien“, die das ideale Verhältnis von Kiefergelenkskopf und Diskus wiederherstellen sollen.

Sogar die chirurgische Reposition des Diskus (die so genannte Diskopexie) wird heute leider noch gelegentlich angeboten, obwohl sie hohe Risiken wie die Schädigung des Gesichtsnerven (N. facialis) aufweist. All diesen Therapien ist gemeinsam, dass sie hochgradig invasiv, belastend und teuer sind, aber keinen nachgewiesenen Nutzen haben.

Im Gegenteil gilt, dass eine gezielte therapeutische Beeinflussung des „Kieferknackens“ gar nicht möglich ist. In den seltenen Fällen, in denen das Knacken so laut ist, dass es im täglichen Leben störend wirkt, kann ein gering invasiver chirurgischer Eingriff am Kiefergelenk (Arthroskopie bzw. Arthrozentese) unter günstigen Umständen Besserung bringen, wobei der Erfolg jedoch nicht garantiert werden kann.

Während die meisten „Knacktherapien“ also ebenso überflüssig wie sinnlos sind, ist therapeutische Hilfe für möglicherweise gleichzeitig bestehende Schmerzen und Bewegungseinschränkungen natürlich sinnvoll. Hierbei gelten die Grundsätze: nicht invasiv, reversibel und kostengünstig – oder kurz gesagt: den Ball flach halten.

In radiologischen Befundberichten nach MRTs knackender Kiefergelenke finden sich häufig dramatisch klingende Befunde wie „subchondrale Resorptionslakunen“, „Gelenkspalt rechts um 0,4mm eingeengt“ oder „arthrotischer Umbau der Kiefergekenksköpfe“. Solche Befunde sind alle eher als Variation des Normalen denn als Krankheitszeichen zu verstehen. Besonders furchterregend klingt „internal derangement“ der Kiefergelenke, gefolgt von einer Graduierung von I bis V. Damit wird lediglich beschrieben, wie weit der Diskus von seiner Idealposition nach vorne abweicht – das bedeutet jedoch weder, dass eine Krankheit, noch, dass eine schlechte Prognose bestehen. „Internal derangement Grad IV“ ist daher auch keineswegs ein bedrohlicher Befund, denn in der Regel funktioniert das Kiefergelenk sogar mit einer totalen Diskusverlagerung klaglos weiter. Betroffene mit „knackendem Kiefer“ sollten sich also von solchen Befundberichten nicht beeindrucken lassen.

Leider profilieren sich hier vor allem gewisse radiologische Praxen mit großem Einzugsbereich. In dieser Hinsicht ganz schlimm ist eine große radiologische Praxis in Frankfurt am Main, die bereitwillig düster klingende Befundberichte liefert und damit überweisenden Ärzten einen Vorwand für unnötige Therapien verschafft – es scheint sich hier um ein für beide Seiten lukratives Tauschgeschäft zu handeln.

Größte Skepsis ist auch den vielen ärztlichen Aussagen zum Kieferknacken im Internet entgegenzubringen, wobei das wiederkehrende Grundmuster der Aufbau einer Drohkulisse in Verbindung mit fragwürdigen Therapieangeboten ist.

Achtung: Fehlinformation im Internet

Das Internet ist leider voll mit irreführenden Angaben zum „Kieferknacken“. Das beginnt schon mit spekulativen Aussagen zu den Ursachen des Knackens bzw. der vorderen Diskuslage. Tatsächlich sind diese in der Regel unbekannt und im Übrigen für das weitere Vorgehen völlig unerheblich.

Alle Aussagen zur Gefährlichkeit und Behandlungsbedürftigkeit des Knackens sind nicht ernst zu nehmen. Grundsätzlich fragwürdig sind sämtliche Therapieangebote zum Knacken, da es überhaupt keine Möglichkeiten gibt, das Knacken gezielt zu beeinflussen. Unseriös sind daher auch Aussagen wie „Kieferknacken loswerden – ein für alle Mal!“ und „Kieferknacken – eine behandelbare Störung“, die den Eindruck erwecken, hier könnten große Meister der Zunft die vordere Diskuslage rückgängig machen.

Tipp für Menschen mit Kiefergelenkknacken

Wir raten dazu, den Einflüsterungen geschäftstüchtiger Ärzte zu widerstehen und auf keinen Fall teure oder gar invasive Diagnostik oder Therapie wegen eines banalen „Kieferknackens“ vornehmen zu lassen!

Auf Computer-Vermessungen der Kieferbewegung sollte ebenso wie auf MRT-Untersuchungen verzichtet werden, da beides beim Kiefergelenkknacken als einzigem Befund grundsätzlich nicht sinnvoll ist. Rechtfertigende Indikationen für ein MRT sind starke Schmerzen im Kiefergelenk, die nicht auf übliche Therapie reagieren, oder die Planung einer Operation. Beides kommt jedoch nur äußerst selten vor.

Bei einem simplen „Kieferknacken“ ohne Schmerzen und Bewegungseinschränkungen bedarf es weder vertiefter Diagnostik noch irgendeiner Therapie – nichts machen und knacken lassen ist die beste Strategie!

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