Gnathologie bedeutet Lehre vom Kiefer. Die Gnathologie kann definiert werden als Teil der Zahnmedizin, der sich mit der Funktion und Dysfunktion des stomatognathen Systems befasst, also mit Zähnen, Parodontium, Kiefern, Kaumuskulatur und Kiefergelenken. So gesehen wäre die gesamte Zahnmedizin Gnathologie, womit sich die Frage nach dem Sinn des Begriffs stellt.
Historisches zur Gnathologie
Historisch steht Gnathologie jedoch für eine stark technisch und mechanistisch ausgerichtete Denkweise, die viele unsinnige, aufwändige und teure Konzepte in die Zahnmedizin gebracht hat. Dieser Spuk begann etwa um 1960 in den USA, verbreitete sich weltweit mit einer erstaunlichen Schwerpunktbildung in Deutschland und erreichte seinen Höhepunkt im Lauf der 70er-Jahre.
Gnathologie in Deutschland
Interessanterweise blieb die Gnathologie in den USA eine kleine Strömung unter vielen, während sie gerade in Deutschland zu erstaunlicher Dominanz in engagierten Zahnärztekreisen gelangte. In dieser Zeit konnte es manchen Zahnärzten gar nicht technisch und aufwändig genug zugehen, und es bestand ein regelrechter Wettbewerb um den Einsatz individualisierbarer Artikulatoren und der raffiniertesten computergesteuerten Unterkiefervermessung.
Kurse und Seminare, in denen es um allerlei komplizierte Konzepte der Kauflächengestaltung ging, waren Standard: Rückblickend besteht der Eindruck, dass man besser sein wollte als die Natur. Seitdem ist die Euphorie um diesen schillernden Begriff jedoch stark abgeebbt.
Heute etwas angestaubt
Auch heute noch behaupten einige Zahnärzte von sich, Gnathologen zu sein, wobei oft nicht recht klar ist, was damit eigentlich gemeint sein soll. Wenn damit gemeint ist, eine handwerklich ordentliche Zahnmedizin zu betreiben, brauchte es den angestaubten Begriff der Gnathologie wirklich nicht. Hier sollte genau nachgefragt werden.