Die Progenie bezeichnet meist den Vorbiss des Unterkiefers, oft verbunden mit einer Unterentwicklung des Oberkiefers oder gar des ganzen Mittelgesichts sowie mit einem Kreuzbiss (verkehrten Überbiss) der Frontzähne. Die Progenie ist eine erbliche Abweichung, die in leichten bis mittelgradigen Formen bei Behandlungsbeginn im Kinder- und Jugendalter mit einiger Erfolgsaussicht konservativ behandelt werden kann. Hauptsächliches Behandlungsmittel ist die Gesichtsmaske (oder Delaire-Maske) und bei schmalem Oberkiefer die Gaumennahterweiterung. Der Behandlungserfolg ist vor allem vom weiteren Wachstum abhängig, das weder prognostizierbar noch mit traditionellen Behandlungsansätzen nachhaltig beeinflussbar ist. Als neueste, immer noch konservative Behandlungsmethode haben sich an chirurgisch eingesetzten Knochenankern getragene Elastikzüge bewährt. Dieses von H. DeClerck entwickelte Verfahren ist in Deutschland leider kaum bekannt und wird kaum angeboten. Das ist schade, denn die Ergebnisse dieser Therapie reichen oft an die großen Veränderungen heran, die bisher nur mit massiven chirurgischen Eingriffen erreichbar waren. Eine sehr stark ausgeprägte Progenie ist dagegen nach wie vor nur mit Hilfe der Dysgnathiechirurgie sinnvoll zu behandeln.
Auch wenn die Progenie eine imposante Abweichung vom Durchschnittsgesicht ist, stellt sie doch kein gesundheitliches Risiko dar, ist also keine Krankheit. Träger einer Progenie können daher mit diesem Befund alt und glücklich werden. Der Behandlungsbedarf richtet sich allein danach, in wie weit sich die Betroffenen ästhetisch oder funktionell eingeschränkt fühlen. Vollkommen unangemessen ist es, wenn Kieferorthopäden von sich aus versuchen, Progeniker mit medizinischen Argumenten zu einer Behandlung zu drängen.