Die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zahlt für kieferorthopädische Behandlungen nach den Kieferorthopädie-Richtlinien von 2004. Bei welchen Befunden Anspruch auf eine kieferorthopädische Behandlung besteht, ist durch das KIG-System geregelt. Die Kieferorthopädischen Indikationsgruppen (KIG) sind ein 2002 in Deutschland eingeführtes System zur Bewertung des Behandlungsbedarfs in der GKV.
Sie basieren auf dem praktisch unverändert übernommenen IOTN, einem Bewertungsindex, der in Großbritannien angewendet wird. Nicht übernommen wurde dabei allerdings die Ästhetische Komponente des (AC) des IOTN, eine visuelle Skala mit ansteigend hässlichen Zahnfotos, denen ein untersuchter Patient zugeordnet werden kann.
Ziel der KIG war es, die ganz leichten und wenig umfangreichen Behandlungen aus der Leistungspflicht der GKV auszugrenzen und damit Kosten einzusparen. Da es sich früh abzeichnete, dass die KIG dieses Ziel verfehlen würden, wurde 2005 mit einer Änderung der Kieferorthopädie-Richtlinien die Zuordnung zu den Kategorien E (Kontaktpunktabweichung) und T (Tiefbiss) erheblich erschwert.
Studien versus Realität
Nach einer Studie der Universität Frankfurt (Glasl et al. 2006, https://link.springer.com/article/10.1007%2Fs00056-006-0615-8) haben 41,4% der Kinder um die Zeit des Schulwechsels Anspruch auf kieferorthopädische Behandlung nach den Kieferorthopädischen Indikationsgruppen. Die 2023 veröffentlichte DMS 6-Studie zur Mundgesundheit in Deutschland fand mit 40,5% Leistungsanspruch für Kieferorthopädie fast den selben Wert.
Tatsächlich behandelt werden in Deutschland aber mehr als 60% der Kinder in der GKV, was dafür spricht, dass viele Kieferorthopäden sich nicht an die Regeln des KIG halten. Typische KIG-Grenzwerte sind zum Beispiel 6mm Überbiss der Schneidezähne und 3mm Abweichung bei Platzmangel und eng stehenden Zähnen.
KIG – ein einigermaßen gerechtes System
Grundsätzlich ist die Anwendung eines solchen Bewertungsmaßstabes auch wünschenswert, damit nicht Versicherungsbeiträge für jeden ästhetischen Sonderwunsch verbraucht werden. Andererseits werden manchmal durchaus gesundheitlich relevante oder sehr unästhetische Befunde durch die KIG ausgegrenzt, während durchaus nicht alle höheren KIG-Einstufungen mit gesundheitlicher Beeinträchtigung verbunden sind. Trotzdem sind die KIG ein einigermaßen gerechtes System, mit dem sich durchaus leben lässt – es müsste allerdings konsequent angewendet werden.
Die Kieferorthopädie-Richtlinien können hier heruntergeladen werden: www.g-ba.de/downloads/62-492-8/RL-Kieferorthopaedie.pdf