Das häufigste Problem in der Kieferorthopädie ist Platzmangel: viele Zähne drängen sich auf engem Raum, und es entstehen ästhetisch störende Engstellungen der Frontzähne. Die Kieferorthopädie hat zwei Strategien, um Platzmangel zu behandeln: das eine ist die Reduzierung der Zahnsubstanz durch Extraktion von Zähnen oder leichtes Abtragen von Zahnschmelz im Zahnzwischenraum (approximale Schmelzreduktion). Diese Optionen sind jedoch beide invasiv und bei den Patienten unbeliebt. Die andere Strategie ist das Vergrößern der Zahnbögen durch die Bewegung aller Zahnkronen nach aussen, bis der Zahnbogen groß genug ist, um alle Zähne aufzunehmen. Diese Option ist bei unseren Patienten beliebt, jedoch hat sie durchaus ihre Nachteile, wie in einer wissenschaftlichen Studie festgestellt wurde.
Die Autoren dieser Studie wollten klären, ob das Vergrößern der Zahnbögen zu Knochenverlusten auf den Außenseiten der Kiefer führt, also dem Teil des Kieferknochens, der die Zahnwurzeln bedeckt. Mit hoch auflösenden dreidimensionalen Röntgenaufnahmen wurde dafür bei 29 Patienten nach der Entstehung von Knochenfenstern und Knochenrückgängen über den Wurzeln geforscht. Alle Patienten wurden mit Alignern behandelt. Die Patienten hatten alle geringen bis mittelgradigen Platzmangel, wie es bei den meisten Patienten in der Kieferorthopädie der Fall ist. Es fand sich eine Zunahme von Knochenrückgängen am Zahnhals von 44% auf 55%, sowie von Knochenfenstern von 10% auf 15%. Insbesondere der Knochenrückgang am Zahnhals kann potentiell zu Zahnfleischrückgang und freiliegenden Zahnwurzeln führen. Damit wird deutlich, dass das Vergrößern oder Expandieren der Zahnbögen mit Risiken für den Zahnhalteapparat behaftet ist. Je ausgeprägter der Platzmangel ist, wird daher die Reduktion von Zahnsubstanz durch Schmelzreduktion oder Zahnextraktion die bessere Lösung sein.
Allahham DO, Kotsailidi EA, Barmak AB, Rossouw AB, El-Bialy T. Association between nonextraction clear aligner therapy and alveolar bone dehiscences and fenestrations in adults with mild-to-moderate crowding. Am J Orthod Dentofacial Orthop 2023;163: p22-32
DOI:https://doi.org/10.1016/j.ajodo.2021.08.022
https://www.ajodo.org/article/S0889-5406(22)00545-5/fulltext