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Zahnspangen 1900 – 1925

Während der ersten Jahrzehnte des 20. Jahrhunderts wurde die in den Kinderschuhen steckende Kieferorthopädie fast weltweit von der Angle-Schule dominiert. Damit verbreitet sich die Behandlung mit festsitzenden Zahnspangen in den am meisten entwickelten Ländern, unter anderem auch in Deutschland durch die Angle-Schüler Körbitz, Grünberg und Oppenheim.

Die Dominanz der Angle-Schule hat einerseits zur Entwicklung wissenschaftlicher Ansätze in der Kieferorthopädie und zur Verbreitung von Angles festsitzender Edgewise-Apparatur geführt, andererseits aber auch Angles kompromissloser Dogmatik zum Durchbruch verholfen. Nachdem er lange Zeit selbst gelegentlich Zähne gezogen hatte, um Raum für eng stehende Zähne zu schaffen, verkündete er mit der siebten Auflage seines Lehrbuchs ein letzten Endes religiös begründetes, absolutes Extraktionsverbot. Vermutlich hat er sogar die sechste Auflage seines Lehrbuchs, die noch Behandlungen mit Zahnextraktionen enthielt, zurückziehen und einstampfen lassen. Für die Patienten war dies keineswegs immer gut, weil so bei Engständen und Platzmangel nur noch die Verbreiterung und Vergrößerung der Zahnbögen blieb, was oft zu unästhetischen Ergebnissen, Schäden am Zahnhalteapparat, vor allem aber regelmäßig zu Rückfällen nach der Behandlung führte.

Ein weiterer großer Lehrer der US-amerikanischen Kieferorthopädie, Calvin S. Case (1847-1923), begründete dagegen evulotionsbiologisch, dass die Extraktion von Zähnen in geeigneten Fällen die beste Behandlung wäre. Anders als Angle, der sich vor allem auf die Okklusion (das Zusammenbeißen der Zahnreihen) bezog, berücksichtigte Case auch die Ästhetik des gesamten Gesichts. Case war ebenfalls Lehrbuchautor und der erste, der Elastiks im Mund zur Bissverschiebung einsetzte, die auch heute noch genutzt werden. Leider war Angle jedoch wesentlich einflussreicher, so dass sich in der Extraktionsfrage blinder Dogmatismus gegen wissenschaftliches Argumentieren durchsetzte. Erst in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts sollte Angles jahrzehntelang befolgtes Dogma, alle Zähne zu erhalten, seine Gültigkeit verlieren.

Eine kieferorthopädische Behandlung war in diesen Jahrzehnten extrem teuer und für die breite Masse unerschwinglich, weil sie sehr viel ärztliche Arbeit mit den individuell hergestellten festsitzenden Zahnspangen erforderte und mit teuren Materialien durchgeführt wurde, unter anderem mit Drähten aus Gold. Kurz: Kieferorthopädie war ein Luxus für wenige, wohlhabende Patienten. Das sollte sich erst mit steigendem Wohlstand ändern.

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